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Keine Neubauten im Sertig Dörfji
Beschreibung:
Das Sertig Dörfji ist der einzige Weiler von Davos, der seinen ursprünglichen Charakter bis heute bewahren konnte und von Neubauten verschont blieb. Die historische Walsersiedlung in eindrücklicher Berglandschaft ist ein zentraler Identifikationspunkt für alle Davoser:innen, Zweitheimische, Ferien- und Tagesgäste. Der Gegensatz dieser landschaftlichen Idylle zum städtischen Davos ist für die touristische Vermarktung von zentraler Bedeutung. Auch für die Vermittlung des kulturhistorischen Erbes der Walser und der Geschichte der Landschaft Davos spielt das Sertig Dörfji eine wichtige Rolle.
Der Bund legt in seiner ISOS-Erhebung für das schützenswerte Ortsbild von regionaler Bedeutung das Erhaltungsziel fest: «Verzicht auf Neubauten in der Nahumgebung». Doch nun hat die Gemeinde Davos ausgerechnet hier zwei Neubauprojekte bewilligt. Dem Bewilligungsentscheid steht die Planungsstrategie der Gemeinde, die auferlegte Planungszone, der Ortsbildschutz und der Denkmalschutz der Nachbarbauten diametral entgegen.
Dieses Vorgehen der Gemeinde ist höchst fragwürdig und aktuell Teil einer Motion im Grossen Landrat welche die Korrektur dieses Planungsfehlers und den Widerruf der erteilten Baubewilligung fordert. (Link: Motion Kistler)
Allerdings ist es nicht bloss ein politisches Anliegen, es besteht ein grosses gesellschaftliches und touristisches Interesse, das Sertig Dörfji zu erhalten.
Vorgeschlagene Lösung:
- Das Sertig Dörfji ist vor Neubauten zu bewahren.
- Bestehender Schutzstatus und Erhaltungsziele respektieren.
- Erteilte Baubewilligungen widerrufen.
- Vorhandene Baulandreserven auszonen.
Offizielle Antwort:
Sehr geehrte Petitionärinnen und Petitionäre, sehr geehrter Herr Kistler
Der Kleine Landrat hat an seiner Sitzung vom 20. Mai 2025 von der Petition "Keine Neubauten im Sertig Dörfji" mit Einreichung von 1109 elektronischen Unterschriften via Internet-Plattform "Petitio.ch" sowie 220 physischen Unterschriften auf 35 papierigen Unterschriftenbogen mit identischem Text Kenntnis genommen und die Petition zur Bearbeitung dem Departement I zugewiesen. Dieser (Zuweisungs-) Beschluss des Kleinen Landrats wird Herrn Kistler schriftlich zugestellt. Der Kleine Landrat wird später, zu gegebener Zeit, zur Petition inhaltlich Stellung nehmen. Zwischenzeitlich benötigt es einige Abklärungen, und bei den Arbeiten sind auch die im Grossen Landrat eingereichte Motion sowie das hängige Aufsichtsbeschwerdeverfahren beim Kanton Graubünden miteinzubeziehen.
Zur Information und zum besseren Verständnis der Petition als politisches Instrument ist grundsätzlich Folgendes festzuhalten:
Gemäss Art. 33 der Bundesverfassung (BV; SR 101) hat jede Person das Recht, Petitionen an Behörden zu richten. Das Petitionsrecht steht allen natürlichen Personen zu, unabhängig von Nationalität, Wohnsitz, Alter oder Rechtstellung. Auch Petitionen von Personen im Ausland sind statthaft. Auch juristische Personen sind grundsätzlich petitionsberechtigt, das Petitionsrecht kann sowohl einzeln als auch kollektiv in Anspruch genommen werden. Art. 33 erfasst Behörden von Bund, Kantonen und Gemeinden; die eidgenössische Gewährleistung schützt also nicht zuletzt Petitionen, die sich an andere als Bundesbehörden richten. Das Petitionsrecht will dem Bürger bzw. der Bürgerin die Möglichkeit verschaffen, von der Behörde gehört zu werden. Die Kenntnisnahme durch die Behörde (Art. 33 Abs. 2) ist in diesem Lichte zu verstehen. Die Behörde ist verpflichtet, Bittschriften entgegenzunehmen und nötigenfalls an die zuständige Stelle weiterzuleiten. Das Bundesgericht sieht in Art. 33 BV ein blosses Freiheitsrecht, das keinerlei positiven Anspruch verleiht: Der Petitionär bzw. die Petitionärin könne weder verlangen, dass seine bzw. ihre Bitte materiell behandelt, noch dass sie beantwortet oder ihr entsprochen werde. Solches müsste der Gesetzgeber vorsehen.
Art. 18 der Davoser Gemeindeverfassung räumt demgegenüber einen weitergehenden Anspruch ein, indem die angegangene Behörde die Petition nicht nur einfach zur Kenntnis nimmt, sondern das Anliegen der Petition prüft und entscheidet, ob und wie sie ihr Folge leisten will. Dieser weitergehende Anspruch wird aber an die Voraussetzung des Wohnsitzes in der Gemeinde geknüpft. Die Verfassung der Gemeinde Davos (DRB 10 Art. 18) hält im Wortlaut zum Petitionsrecht fest:
1 Jede Gemeindeeinwohnerin und jeder Gemeindeeinwohner ist berechtigt, in schriftlicher Form Anträge, Begehren und Beschwerden den Gemeindebehörden einzureichen.
2 Ist die Eingabe nach Form und Inhalt nicht ordnungswidrig, so behandelt die angegangene Behörde die Petition und entscheidet, ob und wie sie ihr Folge leisten will.
Damit das Anliegen der Petition durch den Kleinen Landrat behandelt und vorbereitet werden kann, ob und wie ihr Folge geleistet werden soll, ist diese zur Bearbeitung an ein Departement zuzuweisen, das bei den weiteren Arbeiten die Federführung übernimmt.
Bundesrechtlich bestehen keine Fristen, innert welcher eine Petition zur Kenntnis zu nehmen ist. Auch gemeinderechtlich fehlen weitere Angaben zur Behandlung der Petition.
Der Kleine Landrat wird die Petition also nicht auf der elektronischen Plattform Petitio.ch beantworten (aufgrund der zeitlichen Limitierung durch Petitio.ch).
Zu Petitio.ch nahm der Kleine Landrat im August 2021 an die Chefredaktion von Somedia grundsätzlich wie folgt Stellung:
Eine Digitalisierung von Aufgaben macht Sinn, wenn sie zu einer Erleichterung der Abläufe führt. Der Prozess zur Einreichung einer Petition, der den wenigsten Menschen im Detail geläufig ist, kann durch eine digitale Führung mit Eingabe- und Entscheidschritten erleichtert und die Hemmschwelle zur Nutzung dieses politischen Instruments herabgesetzt werden.
Insofern kann eine Webseite für Petitionen zu Erleichterungen und Vorteilen führen. Andererseits darf eine solche Webseite den Petitionswilligen und den adressierten Gemeinden nicht einen unnötigen Termindruck auferlegen oder andere Einschränkungen einführen. Petitionen sind ein bewusst niederschwelliges politisches Instrument, das weder komplizierte Formvorschiften noch komplexe Abläufe kennt und sich damit stark vom Initiativverfahren unterscheidet. Daher sind im Gesetz – sowohl eidgenössisch, kantonal wie kommunal – keine Fristen für die Stimmensammlung sowie für die Entgegennahme/Kenntnisnahme einer Petition durch die Behörden vorgesehen. Will die zuständige Behörde eine Beantwortung vornehmen, können Fristen sogar hinderlich sein. Je nach Anliegen sind bei einer Petition knifflige Fragen abzuklären, Informationen bei Dritten (z.B. Kanton Graubünden) einzuholen, Lösungsvorschläge zu erarbeiten und die Stellungnahme der Behörde (Kleiner Landrat) abzufassen. Die Frist von 30 Tagen wird dabei in vielen Fällen zu knapp bemessen sein und könnte deshalb bei einer fristgerechten Beantwortung lediglich zu "besseren Eingangsbestätigungen" führen.
Die angedachte Webseite für Petitionen würde betreffend Petitionen an die Gemeinde Davos zu einer Ungleichbehandlung der Petitionärinnen und Petitionäre führen. Petitionärinnen und Petitionäre, die ihr Anliegen via Somedia-Webseite einreichen, würden innert 30 Tagen eine oftmals unvollständige Antwort erhalten. Petitionärinnen und Petitionäre, die direkt an die Gemeinde Davos gelangen, erhalten normalerweise nach einem längeren Zeitraum als 30 Tage eine dem Anliegen gerechte, vollständige Stellungnahme. Diese Ungleichbehandlung ist nicht akzeptabel.
Im Weiteren stellen wir fest: Das Petitionsrecht steht allen natürlichen Personen zu, unabhängig von Nationalität, Wohnsitz, Alter, Handy-Eigentum, Handy-Nummer oder Rechtstellung. Auch Petitionen von Personen im Ausland – beispielsweise von Feriengästen oder Zweitwohnungsbesitzerinnen und -besitzern – sind statthaft (und nicht nur von Inländern, wie Petitio.ch vorgibt). Auch juristische Personen sind grundsätzlich petitionsberechtigt (und nicht nur natürliche Personen, wie Petitio.ch vorgibt). Zudem kann das Petitionsrecht auch einzeln oder von kleinen Gruppen in Anspruch genommen werden (und nicht nur in Verbindung mit einer Mindestanzahl von Unterschriften, wie Petitio.ch vorgibt). Das Petitionsrecht will jedem Bürger bzw. jeder Bürgerin die Möglichkeit verschaffen, von der Behörde gehört zu werden.
Der Digitalisierungsvorstoss von Somedia im Bereich Petitionen bringt – wenn auch gut gemeint – Verwirrung und Ungleichbehandlung. Der Kleine Landrat kann deshalb die Einschränkungen beim Petitionsrecht, die so im Gesetz nicht vorgesehen sind, weil sie dem Sinn der niederschwelligen und einfach gehaltenen Form einer Petition widersprechen, nicht gutheissen.
Wie obenstehend gesagt, wird der Kleine Landrat die vorliegende Petition nicht auf der elektronischen Plattform Petitio.ch beantworten, sondern die später erfolgende Stellungnahme direkt an Herrn Landrat Lukas Kistler als Vertreter der Petitionäre und Petitionärinnen zustellen. Besten Dank für die Kenntnisnahme.
Michael Straub, Landschreiber, Gemeinde Davos